
Du weißt, dass du gut bist in dem, was du tust. Du führst Menschen, vielleicht führst du auch dein eigenes Unternehmen, triffst Entscheidungen, lieferst Ergebnisse – und doch denkst du oft, dass das alles noch nicht gut genug ist. Kennst du das? Glaubst du, du müsstest noch mehr machen? Noch mehr leisten? Noch besser werden?
Diese Gedanken erzählen mir Frauen oft, die in Unternehmen hohe Führungspositionen haben oder als Unternehmerin noch sichtbarer werden wollen. Doch eigentlich geht es nicht um noch mehr Leistung, sondern um mehr DU SELBST SEIN in deiner Führung.
In diesem Artikel möchte ich den Begriff "Female Leadership" aus meiner Sicht beleuchten und dir vier konkrete Strategien zeigen, mit denen du mehr Klarheit in deine Führung bringen kannst – ohne dich zu verbiegen.

Ich persönlich finde diesen Begriff total unpassend. Warum "Female Leadership"? Es gibt ja auch nicht den Begriff "Male Leadership".
Was wir mit dieser Begrifflichkeit machen, ist erneut eine Trennung zwischen weiblich und männlich zu manifestieren. Und genau damit dürfen wir endlich aufhören!
Wenn wir Frauen damit aufhören, uns meist schlechter in den Führungsthemen zu sehen, dann wird sich auch das Verhältnis generell zu weiblicher und männlicher Führung verändern.
Die Realität aus 30 Jahren Führungserfahrung
Ja, es gibt Unterschiede in der Führung bezogen auf die Schwerpunkte und auch die Gewohnheiten. Doch es stimmt nicht, dass es grundsätzlich total anders ist.
Ich weiß das, weil ich selbst über 10 Jahre in Konzernen in der Führung war – als einzige Frau. Und ich weiß das aus nun mehr als 30 Jahren Begleitung von Führungskräften, Unternehmern und Vorständen.
Bei Xerox wurde mir beispielsweise alle zwei Jahre eine neue, nächst höhere Position angeboten. Ich persönlich hatte nicht geplant, Karriere zu machen. Doch das Umfeld traute es mir zu, und ich war innerlich der Überzeugung, dass ich auch die nächste Herausforderung mit all den neuen Themen und Inhalten, von denen ich vorher keine Ahnung hatte, würde meistern können.
Leadership bedeutet für mich in erster Linie, dass jemand in der Lage ist, sich selbst zu führen.
Wenn wir etwas verändern wollen, bedeutet das immer, bei sich selbst anzufangen und es dann in das Unternehmen zu bringen.
Dazu sind vier Parameter entscheidend:
1. Authentizität - Aus der inneren Wahrheit handeln
Was heißt das grundsätzlich? Es bedeutet, im Einklang mit dem eigenen Wesenskern zu handeln und nicht eine aufgesetzte Rolle zu spielen.
Das ist jedoch leicht erst einmal dahingesagt. Authentizität als psychologische Definition bedeutet:
a) Selbstwahrnehmung Das wiederum bedeutet: Ich kenne meine Werte, meine Motive, meine Stärken und Schwächen. Und nicht nur, dass ich sie kenne, sondern dass ich sie mir auch eingestehe.
b) Ehrlicher Ausdruck Ich drücke mich in jeder Situation so aus, wie ich es fühle und wie es für mich stimmig ist. Ich spiele keine Rolle nur für die Außenwirkung oder Außenwahrnehmung.
c) Integrität Ich bleibe mir selbst treu – meinem inneren Gefühl, meinen inneren Werten, auch wenn es unbequem wird.
Was Authentizität NICHT bedeutet
Authentizität heißt jedoch nicht, dass ich immer ungefiltert alles sage nach dem Motto: "So bin ich eben!" Oder jemand anderen zu unterbrechen, weil ich selbst schon weiß, wie der Satz zu Ende geht.
Gerade wenn ich Menschen führe, bedeutet authentisches Handeln wohlüberlegt und stimmig zu handeln – im Einklang mit mir selbst und im Respekt vor anderen. Das würde in einer Situation, in der ich schneller bin als mein Mitarbeiter, bedeuten, für den Moment abzuwarten und erst später meinen Impuls zu setzen.
In einem Satz ausgedrückt: Authentizität bedeutet, dass das, was ich denke, fühle und tue, aus meiner inneren Quelle kommt – aus meiner inneren Wahrheit. Menschen spüren, wenn wir echt sind, und genau dann bauen sie Vertrauen auf.
2. Ganzheitlichkeit - Die innere Balance finden
Auch hier können wir wieder in die Tiefe gehen. Was verstehe ich darunter?
Das ist als erstes die Selbst-Ganzheit oder auch innere Balance. Denn wenn ich innerlich in Balance bin – also Körper, Geist, Emotionen und Werte für mich selbst in Einklang sind –, dann habe ich eine innere Klarheit.
Aus dieser inneren Klarheit führe ich ganz anders, als wenn ich innerlich eine Schieflage habe.
Um diese Klarheit überhaupt zu bekommen, brauche ich Selbstreflexion und Selbstfürsorge.
Du könntest dich also fragen: Bin ich selbst in Balance, oder bin ich gerade in einem Zustand, wo ich kompensiere?
Und wenn du gerade in dem Zustand des Kompensierens bist, dann schließe deine Augen und frage dich: "Was brauche ich jetzt wirklich für mich?"
3. Verbindung und Beziehung - Die Wurzeln erkennen
Welche Verbindung habe ich zu mir? Das klingt jetzt vielleicht eigenartig, doch es geht darum zu erkennen: Was sind meine Wurzeln? Was ist die tiefere Verbindung zu dem, was mich ausmacht?
Und dazu gehört dann auch: Wie bin ich in Beziehung zu mir selbst? Mag ich meinen Körper, mag ich meinen Ausdruck, mag ich, wie ich rede, gehe, mich bewege? Oder bin ich die ganze Zeit innerlich am Meckern mit mir und meinem Aussehen?
Der Einfluss der Selbstbeziehung auf die Führung
Diese Selbst-Bewertung wird sich auch in Business-Situationen auswirken. Wenn du beispielsweise deinen Körper nicht magst, dann wirst du möglicherweise vieles tun, um zu kaschieren.
Entweder du trägst weite Kleidung, um das Hüftgold zu überspielen, oder du nimmst ungesunde Eingriffe in Kauf, um beispielsweise Falten zu reduzieren.
Wenn du dich dann damit wirklich wohl fühlst und dich wertschätzt – wunderbar. Wenn du das aber ständig vor Augen hast und weiter optimieren möchtest, dann könnte letztendlich deine Ausstrahlung darunter leiden.
4. Selbstwirksamkeit - Der Glaube an die eigene Handlungsfähigkeit
Vielleicht sollte ich erst den Unterschied zu Selbstvertrauen benennen:
Selbstvertrauen bedeutet: allgemeines Vertrauen in die eigene Person zu haben.
Selbstwirksamkeit bezieht sich darauf: ob man die Überzeugung hat, dass man eine bestimmte Herausforderung meistern kann, die man noch nie gemeistert hat.
Es geht also nicht darum, ob jemand objektiv fähig ist – sondern ob er glaubt, es zu können.
Praktische Anwendung von Selbstwirksamkeit
Das würde bedeuten: Wenn du dein Unternehmen gegründet und aufgebaut hast, bist du der Überzeugung, dass du weiter expandieren kannst – falls du das willst –, auch wenn du noch nicht weißt wie?
Oder wenn du in einer Führungsposition in einem Unternehmen bist und eine nächst höhere Position angeboten bekommst: Bist du der Überzeugung, dass du diese Position ausfüllen und das neue Team erfolgreich durch den Wandel führen kannst, auch wenn du noch nicht weißt wie?
Dann hast du die Grundenergie von Selbstwirksamkeit.
Zwei entscheidende Reflexionsfragen
1.Wie siehst du Rückschläge? Als Lernchance oder als Scheitern? Ich weiß, dass du das kognitiv weißt. Aber das interessiert nicht.
Von Interesse ist, was du wirklich tief innen fühlst und denkst.
2.Wie gehst du für dich innerlich mit Unsicherheit um? Verschiebst du, lässt du liegen, recherchierst du, fragst du jemanden, stimmst du dich mit Menschen ab? Und dann?
Denn in der heutigen Zeit können wir kaum noch sicher planen. Alles wird schneller, alles wird komplexer.
Die zwei Phasen des ultradianen Rhythmus
Der ultradiane Rhythmus erinnert an das östliche Prinzip von Yin und Yang:
- Yang-Phase (Aktivität):
- Konzentration
- Umsetzung
- Tun
- Geben
- Ausatmen
Yin-Phase (Regeneration):
- Erholung
- Loslassen
- Empfangen
- Regenerieren
- Einatmen
Ich bekomme immer wieder die Frage gestellt: "Wie managen wir diese Komplexität?" Und da haben tatsächlich Frauen einen Vorteil.
Nicht, weil man uns nachsagt, dass wir Multitasking sind oder sein sollen, sondern weil wir tatsächlich einigen Ansätzen in der Führung einen anderen Stellenwert geben.
Das traditionelle Meeting-Szenario
Stell dir vor, du gehst in ein Meeting mit deinen Mitarbeitenden und vielleicht auch Kollegen. Es geht um ein neues Projekt.
Die gelernte Vorgehensweise hast du wie folgt übernommen:
- Du kommst rein, öffnest deinen Laptop
- Du beschreibst kurz das neue Projekt mittels PowerPoint
- Du vermittelst die Ziele, setzt die Deadlines
- Du sagst, wie der Weg ist, also wie vorgegangen werden soll
- Du fragst in die Runde, ob jemand Fragen hat – hast aber dafür keine Zeit
- Deine Mitarbeitenden nicken, machen sich an die Arbeit
Ergebnis: Jeder weiß, WAS zu tun ist, aber nicht WARUM.
So ist oft – auch heute noch – die traditionelle, eher männlich geprägte Führung.
Wenn du dieses Meeting eher mit einem integrativen Ansatz durchführst, dann ist das so:
- Du kommst rein, lässt deinen Laptop in der Tasche
- Du setzt dich zu deinen Mitarbeitenden und Kollegen an den Tisch in gemeinsamer Runde
- Du fragst nach, ob das Ziel klar ist und sagst dann: "Den Weg dorthin gestalten wir gemeinsam"
"Was denkt ihr, was wir brauchen, um das zu schaffen?"
- "Was haben wir noch nie berücksichtigt?"
- "Wer möchte welche Rolle übernehmen?"
- Du hörst hin, fragst nach, nimmst Ideen auf
- Du fragst außerdem, wer diese Ideen direkt mal schriftlich auf Pinnwand oder Notizblock festhält
Ergebnis: Am Ende habt ihr nicht nur einen Plan, sondern den gemeinsamen Plan. Jeder fühlt sich integriert und gebraucht. Die Mitarbeiter gehen raus und haben das Gefühl: "Ich will, dass das funktioniert – es ist auch mein Projekt!"
Der entscheidende Unterschied
Im ersten Meeting stehen die Vorgaben, und es wird danach gearbeitet. Im zweiten Meeting wird gewirkt!
1. Integration und Inklusion führt zu Transformation
Der erste Unterschied, den Frauen meist ganz natürlich mitbringen, ist: Integration und Inklusion, und dadurch entsteht Transformation.
Es bedeutet, bewusst alle relevanten Stimmen, Perspektiven und Talente einzubeziehen – unabhängig von Hierarchie, Herkunft, Geschlecht, Alter oder Funktion. Es geht um das Schaffen eines Raumes, in dem jeder Mensch gehört, gesehen und wertgeschätzt wird.
Ein Praxisbeispiel
Ich habe kürzlich mit einem Führungsteam gearbeitet, das eine neue Vorgesetzte bekommen hatte. Ihr ursprünglicher erster Ansatz war, alle To-dos und Projekte in einer linearen Übersicht zu zeigen und zu hoffen, dass die Mitarbeiter sich einig werden, wer welche Projekte und Aufgaben übernimmt.
So haben wir es aber nicht gemacht. Sondern wir haben zuerst an der gemeinsamen Team-Vision, ihrer Mission als Team und den Werten ihrer Zusammenarbeit gearbeitet.
Erst als darüber Klarheit und Einigkeit bestand, sind wir in die Projekte und Aufgaben eingestiegen. Die Mitarbeitenden haben fast völlig selbstständig alles untereinander so aufgeteilt, dass sie arbeitsfähig waren und das Gefühl hatten, dass jeder trotz Mehrarbeit noch atmen kann und niemand einen Overload hat.
2. Befähigung statt Anweisung
Den zweiten großen Unterschied in integrativer Führung sehe ich darin, dass mehr Wert auf die Befähigung gelegt wird – jemanden in die Lage zu versetzen, Verantwortung zu übernehmen.
Also mehr Wert auf die Begleitung statt darauf, Anweisungen zu geben.
Mal ehrlich: Niemand folgt gerne der To-do-Liste eines anderen.
Warum Top-Down nicht mehr funktioniert
Ich kenne es noch sehr gut, dass früher Top-Down-Veränderungsansagen mit klaren Zielvorgaben und intensiven Kontrollen stattgefunden haben. Man dachte, dass man dadurch schneller mehr erreichen kann.
Das war jedoch oftmals nicht der Fall – oder sogar das Gegenteil. Durch wenig Rückkopplung in der Anfangsphase liefen die Leute los, doch nicht in eine gemeinsame Richtung. Dann musste zurückgerudert werden, und alles dauerte länger und kostete auch mehr Ressourcen.
Viele Frauen haben sich das angewöhnt, weil "man es eben so gemacht hat". Auch um als Frau in der Führungsrolle akzeptiert zu werden.
Das funktioniert aber nicht beziehungsweise immer weniger.
Es geht heute um ein ko-kreatives Miteinander. Beteiligung, Dialog, emotionales Commitment und kontinuierliches Feedback sind entscheidend.
Tatsächlich kann es zum Start dadurch etwas länger dauern. Jedoch insgesamt ist der Prozess reibungsloser und dadurch de facto schneller, weil es weniger Rücksprachen und Missverständnisse gibt.
Auch ist das Ergebnis meist besser, weil es aus einem gemeinsam getragenen Verständnis heraus entwickelt und erreicht wurde.
Komplexität durch Integration meistern
In den alten Management-Strukturen kam das ursprünglich nicht so vor. Die Vorgehensweise war viel hierarchischer, ergebniszentrierter und stärker auf Wettbewerb – auch untereinander – ausgerichtet.
Mein Ansatz war deshalb schon vor 25 Jahren, dies zu durchbrechen: Die Zusammenarbeit zu betonen vor der Konkurrenz und Einbindung statt Selektion zu praktizieren.
Es ist nachgewiesen: Ein integrativer und transformationaler Führungsstil steigert die Innovation, Mitarbeiterbindung und Leistung. Und nur so können wir heute die Komplexität meistern.
Für dich heißt das also, wirklich hinzuschauen: Wann bist du selbst in deiner Energie? Was kannst du jeden Tag aufs Neue für dich tun, um präsent und in dir authentisch zu sein?
Denn deine Ausstrahlung beeinflusst dein Team wesentlich mehr als Termine im Kalender.
Und nun vier konkrete Tipps für dich:
1. Meeting-Vorbereitung mit Integrationsfokus
Bevor du in ein Meeting gehst – egal mit wem: Mitarbeiter, Partner, Kunden – sei dir klar darüber, welche Fragen du stellen wirst, um alle zu integrieren.
Die richtigen offenen Fragen können über alles entscheiden!
2. Klare Kommunikation des Warums
Im Meeting kommuniziere klar, welches Ergebnis angestrebt wird und warum. Öffne dann den Raum für Fragen der Teilnehmer und ihre Ideen für die Durchführung und Zielerreichung.
3. Dokumentation delegieren
Übertrage immer einer freiwilligen Person das Mitschreiben oder Visualisieren des Gesagten oder der Teilergebnisse. Das schafft Beteiligung und Ownership.
4. Präsenz und Körperbewusstsein
Achte während des Meetings auf deine Körperhaltung, deine Sprache, deine Stimme. Bleibe geduldig, gelassen und präsent, egal was passiert.
Das erreichst du, indem du viel klares Wasser trinkst und immer sehr aufrecht im Stuhl sitzt oder auch zwischendurch bewusst aufstehst und den Platz wechselst.
Solltest du also bisher sehr viel an traditioneller Führungs-Vorgehensweise übernommen haben, dann reflektiere: An welchen Stellen ist das sinnvoll, und an welchen Stellen kannst du auf die integrative Kraft bauen und diese in dir wieder voll zur Geltung kommen lassen?
Die Zukunft der Führung
Warum sollten wir also nur von Leadership und nicht von "Female" oder gar "Male Leadership" sprechen?
Es geht bei Führung um Kompetenz – aber um die RICHTIGE Art der Kompetenz. Die Art, die Menschen mitnimmt, befähigt und zu gemeinsamen Höchstleistungen inspiriert.
In einer Zeit zunehmender Komplexität und Unsicherheit brauchen wir Führungskräfte, die aus ihrer authentischen Kraft heraus agieren können. Die Integration praktizieren statt Separation. Die Menschen entwickeln statt nur managen.
Das ist nicht weiblich oder männlich – das ist einfach zeitgemäße, wirksame Führung.
Es geht nicht darum, noch mehr zu leisten oder noch besser zu werden. Es geht darum, mehr du selbst zu sein in deiner Führung.
Wenn du beginnst, die vier Parameter – Authentizität, Ganzheitlichkeit, Verbindung und Selbstwirksamkeit – in deiner täglichen Führungspraxis zu leben, wirst du feststellen: Menschen folgen dir nicht, weil du perfekt bist, sondern weil du echt bist.
Und das ist der wahre Unterschied zwischen Management und Leadership – unabhängig vom Geschlecht.
Schau Dir dazu mein neuestes YouTube Video an : https://youtu.be/1SPNfQPfZu0?si=5FcNoZ-lKBGfCgCo
In Verbundenheit Beate